SommergesprächeFolge 4

Julia Herr, SJ

Julia Herr kritisiert „Jungsein“ als politische Kategorie. „Sebastian Kurz ist jung und macht Politik wie ein 80-Jähriger.“ Sie wünscht sich Menschen, die modern sind und Dinge anders machen wollen – auch in der SPÖ.

Julia Herr ist die erste weibliche Vorsitzende der Sozialistischen Jugend. Früh hat sie sich für Politik interessiert. Es waren die „großen Fragen“, die ihr keine Ruhe gelassen haben. Wie kann es sein, dass es in Österreich – einem der reichsten Länder der Welt – Obdachlose gibt? Oder warum müssen Menschen Hunger leiden? Vieles kann sie bis heute nicht verstehen.

Aber was war nun zuerst: die Ideologie oder die Wahl der Organisation? Der Weg in die Sozialdemokratie war nicht vorgegeben. Julia wollte anfangs zu den Jungen Grünen, die haben aber nicht auf ihre Anfrage geantwortet. Dann war sie bei einem Seminar der SJ. Dort wurde diskutiert, alle wollten die Welt verändern. Das hat sie motiviert und sie ist Mitglied geworden.

Zwei politische Welten

„Ich wollte nie in einer Organisation tätig werden, wo nur Bobos herumrennen.“ Das Angebot bei der Sozialistischen Jugend sei vielseitig. Manche treffen sich, um große Theoretiker*innen zu lesen, andere feiern zusammen Feste. Auch sie merkt den Unterschied zwischen Stadt und Land. „In Wien ist es leichter, Mitglieder zu werben.“ Aufgabe der SJ – und überhaupt der Linken – muss es sein, am Land aktiver zu werden. Es braucht eine linke Kraft, die nicht abgehoben ist, sondern auch in „Buxtehude funktionieren kann“. Derzeit fehlen aber die Ideen.

Die SJ hat eine eigene Beschlusslage, die Themen werden von der Jugendorganisation selbst gewählt. Die Millionärssteuer ist im aktuellen SPÖ-Programm zum Beispiel gar nicht enthalten. Julia Herr hat ein schwieriges Verhältnis mit der Mutterpartei. Wie viele junge Menschen, wollte sie lange keiner Partei beitreten. „Die SPÖ – eine Pensionistenpartei“, so ein frühes Urteil. Sie fühlt sich auch jetzt nur ihren Positionen verpflichtet. „Wenn es in 50 Jahren eine Partei gibt, die meine Überzeugung mehr auf den Punkt bringt, dann kann ich mir auch vorstellen, die SPÖ zu verlassen.“

Zuerst Werner Faymann, dann die Regierung

Julia Herr war einer der schärfsten Kritikerinnen Werner Faymanns. 2014 hat sie ihn nicht mehr zum Parteivorsitzenden gewählt. Die Medien nannten das Wahlergebnis „den Anfang vom Ende Faymanns“. Für Julia war das kein leichter Tag, die Entscheidung bereut sie dennoch nicht. Sie würde alles genauso wieder machen. „Ich habe immer das gesagt, was ich sagen wollte.“ Im Mai 2016 trat er als Bundeskanzler und SPÖ-Chef zurück.

Dann kam der Neustart, den Julia gefordert hat – und Christian Kern, der es nochmal probieren wollte, aber dann, als die Koalition am Ende war, doch keinen Schlussstrich gezogen hat. Jetzt sitzt die SPÖ in der Opposition. „Man muss vor der Opposition keine Angst haben“, sagte Julia Herr 2014 in der „ZiB 2“.

Zeit für die Opposition

Die letzten Monate mit der ÖVP beschreibt sie als „Zustand“. Die eigenen Forderungen wurden hintenangestellt, während Sebastian Kurz schon seine Machtübernahme vorbereitete. So kann nicht regiert werden, die Auflösung der Koalition war notwendig. Trotzdem meint sie jetzt: „Die Opposition ist nicht leiwand.“

Die SPÖ tut sich schwer mit ihrer neuen Rolle. „Wir haben Spielraum nach oben, aber es wird langsam besser.“ Als Chance sieht sie das Arbeitszeitgesetz, die Menschen werden das nicht einfach hinnehmen, sondern sich weiter dagegen wehren. „Eine gute Opposition kritisiert nicht, sondern stoppt die Regierung.“ „Unsere Aufgabe muss es sein, den Zulauf zur FPÖ und zur ÖVP zu verhindern.“ Es ist an der Zeit, dass die SPÖ mit all ihren Mitgliedern, aber auch mit Menschen, die in Opposition zu Schwarz-Blau sein wollen, eine andere Geschichte in Österreich erzählt. „Weil die jetzige Geschichte geht immer gleich: Die Ausländer kommen und nehmen uns alles weg.“

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